Klarinetten, die CLEX und das Saxophon

Futuristische und historische Instrumente

Weshalb sollte eine Klarinette mittels Elektronik bedient werden? Und dürfen wir historische Instrumente spielen?
Forschungsprojekte der Hochschule der Künste Bern befassten sich mit solchen Fragen zu Holzblasinstrumenten.

Die Kontrabassklarinette CLEX

Die neue «Contrabass Clarinet extended» CLEX ist archaisch und futuristisch zugleich. Archaisch ist die Spielweise: Die CLEX wird wie jede Klarinette mit einem Mundstück geblasen, in das ein Rohrblatt eingespannt ist. Futuristisch die Mechanik: Die Klappen werden von den Tasten her via Sensoren, einen Computer und kleinen Motoren geöffnet und geschlossen. Diese mechatronische Lösung der Bedienung wurde notwendig um Löcher und Klappen auf dem langen Rohr optimal positionieren zu können.

Die CLEX entwickelt hat eine Forschungsgruppe um Ernesto Molinari (Dozent HKB), Jochen Seggelke (Klarinettenbau) und Daniel Debrunner (Mechatronik). (mehr...)

Dass sich mit solcher Technologie auch neuartige musikalische Möglichkeiten eröffnen, zeigen Kompositionen für Molinari und seine CLEX (siehe folgendes Video).

Trio der Kontrabassklarinetten, vorne Prototyp I der CLEX (aktuell in der Ausstellung FRESH WIND zu sehen)
Trio der Kontrabassklarinetten, vorne Prototyp I der CLEX (aktuell in der Ausstellung FRESH WIND zu sehen)
Jede Klappe der CLEX erhielt einen Ventilator, damit sie sich nicht überhitzt.
Jede Klappe der CLEX erhielt einen Ventilator, damit sie sich nicht überhitzt.

Interview mit Ernesto Molinari und Ausschnitte aus der Uraufführung von «Convert Ego»

CLEX INterACTION

Trailer der Uraufführung von «CLEX INterACTION», komponiert für das Musikfestival Bern im Auftrag des Klingenden Museums Bern und von Arts in Context der Hochschule der Künste Bern.

Ernesto Molinari, Kontrabassklarinette CLEX
Daniel Weissberg, Michael Harenberg, Live-Elektronik

UA vom 3. September 2020, 12:00 im Klingenden Museum Bern

Ein Konzert mit Tiefgang, zumindest was die Tonhöhen betrifft: Zentrales Instrument ist eine Kontrabassklarinette. Sie gehört zu den tiefsten Instrumenten. Der Tonumfang beginnt beim Subkontra-A, dem tiefsten Ton des Klaviers, und umfasst fünf Oktaven. Zum Einsatz kommt die CLEX (Contrabassclarinet Extended), eine mechatronisch gesteuerte Variante des Instruments, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der HKB (Hochschule der Künste Bern) entwickelt wurde. Ziel dieser Entwicklung ist es, die Form des Rohres und die Anordnung der Löcher und Klappen frei von mechanischen Begrenzungen ausschliesslich nach klanglichen Kriterien gestalten zu können. Dass die Clex aufgrund der elektronischen Steuerung ihre Daten an einen Computer übermitteln und auch von aussen gesteuert werden kann, ist eher ein Nebenprodukt dieser Instrumentenentwicklung. Sie steht in diesem Konzert allerdings im Zentrum.

Das Trio hat verschiedene, auf die CLEX zugeschnit- tene Interaktionsmodelle entwickelt, welche die spezifischen live-elektronischen Möglichkeiten nutzen, die das Instrument bietet. Einen Bogen zum Thema des Musikfestivals «Tektonik» schlagen die klanglichen Verschiebungen zwischen den Tönen des Instruments und deren veränderter Wiedergabe und die minimalen Verschiebungen der Tonhöhen, die als rhythmische Muster hörbar werden. Aus den Klängen und Spielbewegungen der CLEX und von dessen Spieler werden Verläufe, interaktiv beeinflusste Muster und klangliche Erweiterungen generiert. Sie eröffnen ein Spielfeld, das Raum lässt für einen spielerischen Umgang, spontane Einfälle und unerwartete Momente.

BOV
Das Trio verbindet das Potenzial der Kontrabassklarinette mit jenem der digitalen und analogen Live-Elektronik. Seit 2005 arbeitet BOV nicht nur für Konzerte in Trio-Besetzung zusammen. Entstanden sind auch instal- lative Arbeiten, ein Beitrag für Helmut Oehrings musiktheatralisches Werk Angelus Novus II und zuletzt 2018 «Convert Ego», ein interaktives Werk für mechatronisch gesteuerte Kontrabassklarinette CLEX und Kammermusik-Ensemble. Zum ersten Mal wurde dabei die Mechatronik des Instruments genutzt, um Steuerdaten für die Live-Elektronik und die Interaktion mit dem Ensemble zu generieren und die Klappen des Instruments über die Live-Elektronik spielen zu lassen.

Saxophon

Das jüngste Blasinstrument – erfunden um 1840 – schaut auch schon auf eine bewegte Geschichte zurück. Das Klingende Museum Bern dokumentiert diese mittels Protoypen von Adolphe Sax selber (im Bild oben links) und andern Herstellern.

Ein Projekt hat zudem ein Altsaxophon von Edouard Sax, dem Sohn von Adolphe Sax, datiert ca. 1900, restaurieren lassen. Es steht nun Musiker*innen für Spielerfahrungen zur Verfügung (siehe folgende Videos).

Das Saxophon von Adolphe Sax fils in den Händen von Multiinstrumentalist James Morrison

Der Multiinstrumentalist James Morrison spielte 2018 am Konzert im Klingenden Museum Bern dieses 120 Jahre alte Saxophon.

Demian Kammer spielt auf dem Instrument von Adolphe Sax fils «Valse vanité».

Taragot, das hölzerne Saxophon

Gerrit Boeschoten spielt das restaurierte Stowasser-Taragot des Klingenden Museums Bern.

Restaurierte Holzblasinstrumente

Blasinstrumente aus Holz sind besonders fragil: Wenn wir sie spielen, können Risse entstehen. Zudem nutzt sich die Mechanik ab. Daher werden historische Instrumente in der Regel nicht gespielt. Um dies ausnahmesweise zu ermöglichen, wurden einzelne Instrumente restauriert. (mehr...)

Darunter sind drei Klarinetten, ein Saxophon und ein Taragot:

  • B-Klarinette von Sauerhering, deutsches System, Magdeburg 1913, Mundstück in deutscher Tradition
    geeignet z.B. für Schumanns Fantasiestücke
  • B-Klarinette von Gautrot, französisches «treize clefs»-System, Paris Mitte 19. Jahrhundert
    geeignet für französische Musik dieser Zeit, auch Militärmusik
  • B-Klarinette von Clementi, typische englische Klarinette, London um 1825
  • Altsaxophon von Adolphe Sax fils, Paris um 1900
    geeignet für klassische Saxophonmusik und Blasmusik dieser Zeit.
  • Taragot von Stowasser, Budapest 20. Jh.