Das Horn – Naturinstrument, omnitonisch und allerlei Ventile

Historische Instrumente

Hörner spielten ursprünglich «nur» die Naturtöne – was für viele grossartige Werke der Musikgeschichte genügte. Heute sind wir das Horn mit Ventilen gewohnt.

In der Zeit von 1750–1900 wurden unterschiedliche Lösungen gefunden und praktiziert, um mehr Töne als die Naturtonreihe spielen zu können: Stopfen mit der Hand im Schallstück, Klappen analog zu Holzblasinstrumenten, Ventile unterschiedlichster Art und Funktion. Die historische Aufführungspraxis alter Musik interessiert sich heute nun gerade für solche Übergangsinstrumente: Es ist für Musikerinnen und Musiker inspirierend, die Musik auf Nachbauten von Instrumenten der Zeit zu spielen (s. folgendes Video).

Vom Jagdhorn zum Ventilhorn – Interview mit Daniel Allenbach

Die Hand im Schallbecher des Horns um andere Töne als die Naturtöne zu spielen, Tonarten wechseln mittels unterschiedlicher Steckbögen? Ein omnitonisches Horn macht beides möglich. Das Horn besitzt eine facettenreiche Geschichte, keine einfache geradlinige Entwicklung. Das Instrument der Barockzeit oder das Horn, für welches Mozart und andere klassische Komponisten Solokonzerte, Kammermusik und Orchesterpartien schrieben unterscheiden sich grundsätzlich vom heute üblichen Ventilhorn.

Le Cor Chaussier

Eines dieser Übergangsinstrumente entwickelte in den 1880er Jahren der Hornist Henri Chaussier mit der Firma Millereau in Paris. Was auf den ersten Blick als Ventilhorn aussieht ist ein sogenannt omnitonisches Horn: Die Töne zwischen den Naturtönen werden in der Regel mit Stopftechnik erreicht, die Ventile werden zum Wechsel der Tonart benützt (was bis anhin einen Wechsel das Aufsteckbogens und somit Zeit erfordert hatte). Beide Spieltechniken können auch kombiniert werden, das Resultat ist auf jeden Fall eine reiche Klangfarbenpalette (s. folgendes Video). (mehr...)

Video: Das «Cor Chaussier»

Konservierung: Dürfen wir historische Instrumente wieder spielen?

Ja? Dann riskieren wir, dass sie auch kaputt gehen, wie die meisten Instrumente ihrer Zeit.
Nein? Sind sie dann als Musikinstrumente nicht ohnehin verloren?

Historische Musikinstrumente unterliegen einem Dilemma: Spielen wir sie erneut oder weiterhin, gehen sie kaputt und Teile werden ersetzt. Irgendwann ist nichts mehr original, oder das Instrument ist unspielbar. Wenn wir die Originale hingegen nicht mehr spielen (also «still-legen»), werden sie zu historischen Objekten, die zwar von ihrer Geschichte Zeugnis ablegen, aber ihren Klang – ihre ursprüngliche Daseinsberechtigung – verlieren.

Dieses Dilemma – benutzen versus bewahren – gilt für alle Museumsobjekte mit beweglichen Teilen. Grundsätzlich ist es nicht lösbar. Blasinstrumente sind wegen der feuchten Atemluft besonders gefährdet. Das Metall korrodiert von innen, das Holz kann reissen.

Ein Forschungsprojekt der HKB, in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und dem Nationalmuseum, hat die Korrosion im Innern der Blechblasinstrumente studiert. Es konnte gezeigt werden, dass ein Instrument nach dem Spielen über Wochen innen nicht trocknet (siehe Video unten). Diese Feuchtigkeit aktiviert die Korrosion somit hauptsächlich in der Zeit, in der nicht gespielt wird. Ein kleiner Ventilator vermag dies zu verhindern.
Zum Forschungsprojekt ...

Im Innern eines Blechblasinstruments: Gereinigt (links), nach 7 Monaten täglich spielen ohne trocknen (Mitte), nach 14 Monaten täglich spielen ohne trocknen (rechts)
Im Innern eines Blechblasinstruments: Gereinigt (links), nach 7 Monaten täglich spielen ohne trocknen (Mitte), nach 14 Monaten täglich spielen ohne trocknen (rechts)

Restaurierte Hörner für die historische Aufführungspraxis

Die HKB und das Klingende Museum Bern besitzen einige Hörner, die für Projekte der historischen Aufführungspraxis ausgeliehen werden können. Anfragen auf mail@fresh-wind.ch. Beispiele:

  • Cor Chaussier von Rainer Egger, Basel 2016, Nachbau nach Millereau (mehr...)
  • Cor vocal in C/B von François Millereau, Paris um 1870, 3 Ventile, versilbert, mit Originalkoffer
  • Horn in F von Raoux-Millereau, Paris spätes 19. Jh., 3 Ventile
  • Horn von Jacques Couturier, Lyon um 1870, 10 Aufsteckbögen, 3 Ventile
  • Horn in F von Couesnon & Cie, Paris 1922, 3 Ventile système ascendant
  • Ventilhorn in F von August Knopf, Markneukirchen, Prager System
Restaurierte Instrumente: Cor vocal in C/B von François Millereau
Restaurierte Instrumente: Cor vocal in C/B von François Millereau
Horn von Jacques Couturier, Lyon um 1870, 10 Aufsteckbögen, 3 Ventile
Horn von Jacques Couturier, Lyon um 1870, 10 Aufsteckbögen, 3 Ventile

Video: Historische Blechblasinstrumente für Igor Strawinskys «Sacre du printemps»