Von Michelle Sägesser
Das Plastikblatt für Holzblasinstrumente – klingend nach einer phänomenalen Erfindung, erschien es vor einigen Jahren auf dem Markt. Dank dem damit verbundenen geringeren Zeitaufwand soll es einem einiges an Nerven ersparen. Doch erfüllt das Blatt, was es verspricht?
Jeder Saxophonist kennt ihn, den Aufwand, der hinter der richtigen Blattwahl steht. Beim einen Holzblatt schwingt im Sound zu viel Luft mit, beim anderen wiederum ist die Spannung der Fasern zu gering. Das Blatt klingt beim Anspiel an verschiedenen Tagen jeweils plötzlich anders, abhängig von der Luftfeuchtigkeit und Temperatur.
Dadurch gestaltet sich die Suche nach dem perfekten Blatt oft sehr zeitintensiv. Die Dauer, die das Blatt anschließend hält, ist dagegen sehr kurz. Entscheidet man sich allerdings für ein Kunststoffblatt, bleiben einem diese nerv aufreibenden Faktoren eher fremd. Denn jenes ist langlebig und bei jedem Wetter konstant spielbar. Doch was steckt hinter diesem Unterschied?
Während jedes Holzblatt seine eigene Faserstruktur, welche sich der Umgebung anpasst, aufweist, ist ein Blatt aus Kunststoff tot. Einmal hergestellt verändert sich daran nichts mehr. Die Nerven des Holzes hingegen bewegen sich stetig und saugen Feuchtigkeit auf, um besser zu leiten. Wird zwischen verschiedenen Instrumenten abgewechselt, bringt das Kunststoffblatt dadurch den Vorteil mit sich, dass es nicht angefeuchtet werden muss, wodurch die Wechsel weniger problematisch vonstattengehen. Doch wo geht da die ganze Feuchtigkeit hin? Beim Spiel bemerkte ich, dass viel schneller ein ‚Blubbern‘ im Klang mitschwingt.
Kommen wir nochmals zurück zum Punkt ‚tot‘. So einfach die Handhabung mit Kunststoff ist, so ‚einfach‘ erschien mir auch der Klang. Mir fehlte dabei die Wärme, welche das Holz mit sich bringt zum einen im Gefühl, zum anderen im Klang. Es gestaltete sich viel schwieriger, in feinen Nuancen zu spielen, das Blatt sperrte mich durch die geringe Flexibilität fast schon ein. Kann ein Blatt, welches sich super für einem leeren, kleinen Übe-Raum eignet, auch in einer großen Konzerthalle gut klingen? Beim Spiel auf Holzblättern wird meist ein Sortiment aus guten Blättern zusammengestellt. Während das eine eher schwache Fasern hat und sich dadurch gut für Räume mit Hall eignet, passt das andere besser für das Spiel im Freien. Dieses Aussuchen des richtigen Blattes für den richtigen Moment macht für mich das Spiel aus. Nicht einfach Blatt drauf, Zwinge anziehen und spielen, sondern die sorgfältige Wahl. Das Leben, das das Holz mit sich bringt, soll für den Musikanten, sowie für den Zuschauer spürbar sein.
Ich ziehe daraus den Schluss, dass das Spielen auf Plastik-Blättern hauptsächlich ein Punkt der Bequemlichkeit ist. Man kann zu jedem Zeitpunkt spielen, ohne ein Klangrisiko einzugehen. Doch sind die Plastikblätter die Zeit, welche durch sie gespart werden kann, wirklich wert?